Zwischen Dreck, Werkzeug und Gerümpel: 200 mutmaßlich kranke Vögel in dunkler Garage | PETA deckt Massenvogelzucht in Ratingen auf und erstattet Anzeige bei Veterinärbehörde

Ein blau-weißer Kanarienvogel sitzt am Gitter eines kleinen Käfigs.

Durch eine Whistleblower-Meldung wurde PETA über eine tierquälerische Zucht sogenannter Ziervögel in Ratingen informiert. Eine PETA-Ermittlerin und die Tierschutzdetektivin des Haustiermagazins „Hundkatzemaus“ gaben sich daraufhin als Kaufinteressentinnen aus, um die Hinweise zu prüfen. Vor Ort führte sie der Züchter in eine stickige Garage ohne Tageslicht, in der etwa 200 Vögel zwischen Gerümpel gehalten wurden. Viele von ihnen litten augenscheinlich unter Verhaltensstörungen, kahlen Federkleidern und Qualzucht. Die Tiere wurden teilweise ohne Wasser in enge, verschmutzte Käfige oder Transportboxen gesperrt, weitere flogen ungeschützt durch die Garage. Einige Käfige entsprachen nicht einmal den Mindestanforderungen an die Haltung, auch fehlte es oft an Sitz- und Klettermöglichkeiten. Um zu prüfen, ob und welche Krankheiten in der verdreckten Zuchtstätte vorherrschen, nahmen die beiden Ermittlerinnen zwei Nymphensittiche mit. Dabei fand die Tierklinik Düsseldorf bei der Untersuchung von Blut, Kot und Gefieder unzählige Infektionskrankheiten sowie weitere schwere Erkrankungen. Die Ermittlerinnen erstatteten unmittelbar Anzeige bei der zuständigen Veterinärbehörde, der die Zuchtstätte nach PETA-Informationen bereits bekannt war. Bei der darauffolgenden Kontrolle stellte auch das Amt Infektionen fest und untersagte dem Züchter vorerst den Weiterverkauf, bis alle Vögel tiermedizinisch versorgt wurden.

„Aufgrund des Federstaubs war das Atmen in der dunklen Garage auch für uns Menschen kaum möglich. Kein Wunder, dass die dort eingesperrten Vögel krank und viele von ihnen vermutlich bereits qualvoll gestorben sind“, so Jana Hoger, Fachreferentin für tierische Mitbewohner bei PETA. „Dass das Veterinäramt die Tiere nicht sofort beschlagnahmt hat, macht uns fassungslos. Wer die unnötige Vermehrung weiterer Vögel und derartiges Tierleid nicht unterstützen möchte, adoptiert Tiere aus dem Tierheim, anstatt sie beim Züchter oder im Handel zu kaufen.“  

Zuchtstätte des Grauens

Laut eigenen Angaben vermehrt und verkauft der Züchter bereits seit über 40 Jahren Halsbandsittiche, Nymphensittiche, Agaporniden, Wellensittiche und viele weitere Vogelarten. Eine Massenzucht wie die in Ratingen erzeugt nicht nur unsägliches Tierleid, sie bietet auch den perfekten Nährboden für gefährliche Krankheiten, die für Vögel, aber auch für Menschen gefährlich werden können. Die beiden mitgenommenen Nymphensittiche litten unter einer durch Spiralbakterien ausgelösten Rachenentzündung, einer Chlamydieninfektion, der Schnabelerkrankung PBFD, einer Pankreasinsuffizienz bzw. fehlenden Verdauungshormonen, Megabakterien sowie einer Pilzerkrankung und mussten umgehend in Quarantäne gebracht werden. Glücklicherweise haben beide Tiere die schweren Erkrankungen überlebt und kommen nun in eine Auffangstation, in welcher sie endlich ein artgerechtes Leben ohne Krankheiten und mit viel Platz zum Fliegen führen können. Der Beitrag zu diesem Fall läuft am 12.10.2024 im Haustiermagazin „Hundkatzemaus“ auf VOX.

Das Leiden von „Ziervögeln“ in der Gefangenschaft

Die Gefangenschaft führt für viele der rund 3,5 Millionen in Deutschland lebenden „Ziervögel“ [1] zu einem frühzeitigen Tod. Fliegen ist für Vögel ein essenzielles Bedürfnis. Sie daran zu hindern, kommt Tiermissbrauch gleich. Freilebende Vögel putzen sich, knabbern an Ästen und Blättern und fliegen täglich teils mehrere Kilometer. In Gefangenschaft leiden sie oft unter chronischem Stress. Dieser führt häufig zu Verhaltensstörungen wie ständigem Kopfwackeln. Viele Tiere beißen auch in die Gitterstäbe ihrer Käfige, zittern, reißen sich ihre Federn aus und verstümmeln sich selbst – manchmal sogar so schwer, dass sie an den Folgen sterben. Darüber hinaus leiden viele der sogenannten Zuchttiere in aller Regel lebenslang an gesundheitlichen Problemen, da ihr äußeres Erscheinungsbild im Vordergrund steht. Wie Möpse, Dackel und Perserkatzen sind sie Qualzuchten. Viele „Frisurenkanarien“ können etwa wegen der Federhauben nichts mehr sehen oder bekommen durch das Reiben der Federn auf den geöffneten Augen Hornhautverletzungen, die bis hin zum Verlust des Auges führen können. PETA fordert ein Ende der qualvollen Käfighaltung. Außerdem setzt sich die Tierrechtsorganisation für ein Heimtierschutzgesetz ein. Dieses soll allen sogenannten Haustieren, die derzeit größtenteils in einem rechtsfreien Raum leben, Schutz bieten und ein artgerechtes Leben ermöglichen.

PETA Deutschland begeht im Jahr 2024 ihr 30-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass fordert die Organisation, dass Tiere vor dem Gesetz als Personen, das heißt als Träger von schutzwürdigen Interessen, anerkannt werden und Grundrechte erhalten. PETAs Motto lautet: Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein – eine Form von Diskriminierung, bei der Tiere aufgrund ihrer Artzugehörigkeit abgewertet werden.

Quellen

[1] Industrieverband Heimtierbedarf: Der deutsche Heimtiermarkt 2022. Online abrufbar unter: https://www.zzf.de/marktdaten/heimtiere-in-deutschland. (10.10.2024).

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