Fraktionen wollen „lebende Krippe“ auf Stuttgarter Weihnachtsmarkt abschaffen – PETA begrüßt Initiative und ruft Esslingen und Ulm auf, nachzuziehen

Das Bild zeigt einen Esel und drei Schafe in einem Gatter auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt.

Nächstenliebe auch für Tiere: Mit einem gemeinsamen Antrag wollen mehrere Fraktionen des Gemeinderats die „lebende Krippe“ auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt abschaffen. Der von der Tierschutzpartei, Die Linke und Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) initiierte und von der SPD, Bündnis 90 / Die Grünen, Volt und der Puls-Gruppe unterschriebene Antrag könnte bereits am 17. Januar im Ausschuss für Klima und Umwelt beraten werden. Unter anderem werden die Stadtverwaltung und die städtische Veranstaltungsgesellschaft in Stuttgart darin aufgefordert, „Veranstalter*innen und Beschicker*innen des Weihnachtsmarkts künftig keine öffentlichen Flächen mehr zum Zweck der Unterhaltung mit lebenden Tieren zur Verfügung zu stellen“. PETA hatte am 11. Dezember dieses Jahres die Zurschaustellung eines einzeln gehaltenen Esels sowie mehrerer Schafe und Lämmer auf dem Weihnachtsmarkt in der Stuttgarter Innenstadt mit einer Presseaussendung scharf kritisiert, nachdem die Stadtverwaltung auf ein Schreiben abschlägig reagierte. Die Tierrechtsorganisation begrüßt die Initiative und ruft die Verantwortlichen in Esslingen und Ulm heute in einem Schreiben auf, dem Beispiel Stuttgarts zu folgen und die vielfach kritisierten „lebenden Krippen“ auf den dortigen Weihnachtsmärkten durch tierfreundliche Krippenspiele mit Figuren zu ersetzen.

„Die Zurschaustellung mitten in der Innenstadt, abseits von ihrem gewohnten Umfeld und Artgenossen, bedeutet puren Stress für die sensiblen Tiere. Die Abschaffung dieses Missbrauchs, der rein zu Unterhaltungszwecken stattfindet, ist längst überfällig“, so Peter Höffken, Fachreferent bei PETA. „Wir hoffen, dass alle Fraktionen im Gemeinderat für den Antrag stimmen und andere Städte sich daran ein Beispiel nehmen werden.“

Zurschaustellung auf dem Weihnachtsmarkt ist tierschutzwidrig
Laut Tierschutzgesetz müssen Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten und versorgt werden. Auf einem Weihnachtsmarkt mitten in der Stadt ist dies nicht möglich. Für die vermeintliche Attraktion werden die sensiblen Tiere aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen, von ihren Herden getrennt und mit artfremden Tieren in ein Gehege gesperrt. Hier können sie sich nur eingeschränkt bewegen und haben keine Möglichkeit, einander aus dem Weg zu gehen. Der ungewohnte Trubel durch Besuchermassen und der damit verbundene Lärmpegel sowie die verschiedenen Lichter bedeuten enormen Stress für die Tiere. Aufgrund des empfindlichen Gehörsinns reichen provisorische Hütten nicht als Rückzugsort aus. Stehen sie dauerhaft auf feuchtem oder schmutzigem Boden, kann dies zu Huf- und Klauenerkrankungen führen. Hinzu kommt der wiederholte Transportstress, falls die Tiere nicht über Nacht auf dem Weihnachtsmarkt bleiben.

Zum anderen ist häufig zu beobachten, dass Besucher die Tiere trotz Hinweisschildern mit ungeeigneter Nahrung wie Lebkuchen oder Waffeln füttern. Dies kann zu gesundheitlichen Problemen und schlimmstenfalls sogar zum Tod führen. Tote Lämmer, Tierdiebstähle und Übergriffe auf diversen Weihnachtsmärkten in Deutschland sind mehrfach dokumentiert. [1-3]

Tiere zu Unterhaltungsobjekten degradiert
Tiere auf Weihnachtsmärkten vermitteln unterschwellig ein falsches Bild. Vielen Menschen –insbesondere Kindern – wird suggeriert, dass Tiere da seien, um uns zu unterhalten. PETAs Ansicht nach sollten Kinder Tiere als Individuen mit eigenen Bedürfnissen kennenlernen, nicht als Unterhaltungsobjekte. Dass eine stimmungsvolle vorweihnachtliche Atmosphäre auch ohne die Zurschaustellung von Tieren möglich ist, beweisen zahlreiche deutsche Städte, die auf ihren gut besuchten Weihnachtsmärkten beispielsweise lebensgroße Holzfiguren aufstellen. Ein gelungenes Krippenspiel mit ausschließlich menschlichen Darstellern könnte ebenfalls zahlreiche Besuchende anlocken. Bad Salzuflen ging mit gutem Beispiel voran und hat 2019 lebende Tiere vom „Weihnachtstraum“ verbannt. Begründet hat die tierfreundliche Stadt dies damit, dass der im Grundgesetz verankerte Tierschutz Vorrang vor dem Unterhaltungsfaktor hat. [4]

Die Tierrechtsorganisation empfiehlt allen tierfreundlichen Menschen, die eine „lebende Krippe“ auf dem Weihnachtsmarkt entdecken, sich mit einer Beschwerde an die Stadtverwaltung, die Veranstalter und das Veterinäramt zu wenden.

Das Bild zeigt  einen Esel und drei Schafe in einem Gatter auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt.

In diesem Gehege werden auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt Tiere zur Schau gestellt. / © PETA Deutschland e.V.

Das Bild kann hier heruntergeladen und für die Berichterstattung verwendet werden.

PETA Deutschland begeht im Jahr 2024 ihr 30-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass fordert die Organisation, dass Tiere vor dem Gesetz als Personen, das heißt als Träger von schutzwürdigen Interessen, anerkannt werden und Grundrechte erhalten. PETAs Motto lautet: Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein – eine Form von Diskriminierung, bei der Tiere aufgrund ihrer Artzugehörigkeit abgewertet werden.

Quellen

[1] Lippische Landes-Zeitung (1. Dezember 2014) Lebendige Krippe auf dem Paderborner Weihnachtsmarkt aufgebrochen. Online abrufbar unter: http://www.lz.de/ueberregional/owl/20267891_Lebendige-Krippe-auf-dem-Paderborner-Weihnachtsmarkt-aufgebrochen.html?em_cnt=20267891. (23.12.2024)
[2] Angelika Hirschberg (12. Dezember 2017) Totes Schaf auf Kaufbeurer Weihnachtsmarkt heizt die Diskussion um „lebendige Krippe“ an. Kreisbote.de. Online abrufbar unter: https://www.kreisbote.de/lokales/kaufbeuren/totes-schaf-kaufbeurer-weihnachtsmarkt-heizt-diskussion-lebendige-krippe-9442649.html#:~:text=Kaufbeuren%20%2D%20Ein%20totes%20Schaf%20und,seinem%20Gehege%20auf%20dem%20Kirchplatz. (23.12.2024)
[3] Merkur.de (18. Mai 2020) Diebstahl auf Weihnachtsmarkt schockiert – Baby-Schaf von Mutter getrennt. Online abrufbar unter: https://www.merkur.de/deutschland/regensburg-weihnachtsmarkt-lamm-tiere-diebstahl-bayern-laemmer-schaf-zr-13358619.html. (23.12.2024)
[4] Alexandra Schaller (30. September 2019) Aus für die „Lebende Krippe“ auf dem Salzufler Weihnachtstraum. Lippische Landes-Zeitung. Online abrufbar unter: https://www.lz.de/lippe/bad_salzuflen/22575511_Aus-fuer-die-Lebende-Krippe-auf-dem-Salzufler-Weihnachtstraum.html. (23.12.2024)

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