Mitte September erreichte PETA eine Whistleblower-Meldung zu einem Betrieb im Landkreis Fulda. Demnach werden die Rinder dauerhaft am Hals angebunden. Die Aufnahmen zeigen, wie die Tiere teils in ihren eigenen Fäkalien stehen und liegen müssen. Sie haben keine trockenen Liegeflächen zur Verfügung. An ihren Körpern haften stellenweise eingetrocknete Kotplatten, die schmerzhafte Hautirritationen verursachen können. Außerdem ist zu sehen, wie ein Kalb in einer Kotpfütze in einer kleinen Box steht. Der Meldung zufolge werden die Rinder nicht mit ausreichend Wasser und Nahrung versorgt. Ein Tier sei bereits wegen ausbleibender tierärztlicher Versorgung an seinen Verletzungen gestorben. PETA hat den Fall umgehend dem Veterinäramt im Landkreis Fulda gemeldet. Zudem hat die Tierrechtsorganisation am 1. Oktober Anzeige gegen den Hofbetreiber bei der Staatsanwaltschaft Fulda wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz erstattet. Noch immer werden in Deutschland über eine Million Rinder einen Großteil ihres Lebens angebunden im Stall gehalten, obwohl die Haltungsform ursächlich für erhebliche Leiden ist und damit gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Daher fordert PETA die Staatsanwaltschaft auf, die Anbindehaltung als Tierquälerei zu sanktionieren. Zudem appelliert die Organisation an den Bundestag, im Zuge der Novellierung des Tierschutzgesetzes ein Verbot der tierschutzwidrigen Haltungsform in all ihren Ausprägungen zu regeln.
„Die Anbindehaltung – egal ob ganzjährig oder zeitweise – verursacht nachweislich akute und lang anhaltende Schmerzen, Leiden und Schäden. Somit ist sie tierschutzwidrig und illegal. Wir fordern die Politik dringend auf, die Anbindehaltung endlich in allen Formen zu verbieten, um Rechtssicherheit zu schaffen. Nur so kann das Staatsziel Tierschutz tatsächlich erreicht werden“, so Lisa Kainz, PETAs Fachreferentin für Tiere in der Ernährungsindustrie. „Es wird Zeit, dass Rinder nicht länger als Objekte angesehen werden, die man wie Fahrräder in dunklen Räumen festkettet, sondern als fühlende Individuen mit Recht auf Bewegung, Freiheit und körperliche Unversehrtheit. Landwirtinnen und Landwirte müssen durch attraktive Beratungs- und Förderpakete zum Umstieg auf zukunftsorientierte, rein pflanzliche Landwirtschaftsformen bewegt werden.“
Hintergrundinformationen
Der überwiegende Anteil aller Rinder in Anbindehaltung wird in Deutschland im sogenannten Kurzstand gehalten. Mit einer Länge von 1,40 bis 1,80 Metern wird der Standplatz den mittlerweile zuchtbedingt deutlich massigeren Tieren in der Regel nicht gerecht. Als Konsequenz müssen sie mit dem hinteren Körperteil auf dem Kotgitter liegen oder mit den Hinterbeinen im Güllekanal stehen. Vor allem für Kühe, die für ihre Milch ausgebeutet werden, ist das aufgrund ihres Euters oft eine schmerzhafte Erfahrung. Erkrankte Klauen und Gelenkprobleme können außerdem zu Lahmheit und vermeidbaren Schmerzen führen. Starke Verschmutzungen durch Kot und Urin verursachen zudem schmerzhafte Hautschäden, Störungen der Schutzfunktion und Thermoregulation der Haut und häufigeren Parasitenbefall. Verschmutzungen haben Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Tiere und schränken das arttypische Verhalten zusätzlich ein, was vermeidbare Leiden und Schäden weiter erhöht. [1]
Anbindehaltung erfüllt den Straftatbestand der quälerischen Tiermisshandlung.
Die Anbindehaltung von Rindern erfüllt den Tatbestand der quälerischen Tiermisshandlung nach § 17 Nr. 2 lit. b) Tierschutzgesetz, da die Tiere hierdurch in nahezu all ihren natürlichen Verhaltensweisen und Grundbedürfnissen stark eingeschränkt werden. Dies wird auch „erzwungenes Nichtverhalten“ genannt. Der aktuelle Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zum Tierschutzgesetz enthält einen Passus, wonach ein Tier grundsätzlich „nicht angebunden gehalten werden [darf]“. Dies widerspricht jedoch nicht der Tatsache, dass die Anbindehaltung bereits jetzt den Tatbestand der quälerischen Tiermisshandlung nach § 17 Nr. 2 lit. b) TierSchG erfüllt. [2] Die dauernde Fixierung beeinträchtigt das Wohlbefinden der Rinder derart, dass erhebliche Leiden verursacht werden. Dass die dauernde Anbindehaltung in der Regel den Straftatbestand erfüllt, wird neben zahlreichen juristischen Aufsätzen auch in den Standardkommentaren zum Tierschutzgesetz von Hirt/Maisack/Moritz/Felde sowie im BeckOK StGB und v. Heintschel-Heinegg/Kudlich thematisiert. [3] Daneben bestätigen aktuelle Fachkommentare die Tierschutzwidrigkeit der Anbindehaltung– unter anderem von der Bundestierschutzbeauftragten Ariane Kari. [4]
PETA Deutschland begeht im Jahr 2024 ihr 30-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass fordert die Organisation, dass Tiere vor dem Gesetz als Personen, das heißt als Träger von schutzwürdigen Interessen, anerkannt werden und Grundrechte erhalten. PETAs Motto lautet: Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein – eine Form von Diskriminierung, bei der Tiere aufgrund ihrer Artzugehörigkeit abgewertet werden.