Lebensverachtend und tierschutzwidrig: Anfang Juli erreichte PETA eine Whistleblower-Meldung zu gleich drei Rinderhaltungen in den Landkreisen Böblingen und Esslingen. In jedem der Betriebe müssen die Tiere unter artwidrigen Bedingungen teilweise das ganze Jahr über in Anbindehaltung leben. Die Kühe sind an kurzen Ketten ohne Schutz am Hals festgebunden, um für ihre Milch ausgebeutet zu werden. Auf harten Betonböden oder feuchtem Einstreu fristen sie ihr Dasein am selben Platz, an dem sie essen, schlafen, ruhen und ihre Notdurft verrichten. Viele der Tiere sind kotbeschmiert. Zum Teil stehen oder liegen sie auf den Kotgittern. Das führt in der Regel zu gesundheitlichen Beschwerden an Euter, Gelenken und Klauen. Bereits 2022 und 2023 erstattete PETA Strafanzeigen gegen die drei Betriebe wegen der tierschutzwidrigen Anbindehaltung. Geändert hat sich seitdem fast nichts. Deshalb hat die Tierrechtsorganisation am 6. August 2024 erneut Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart erstattet und die Betriebe zum wiederholten Mal bei den zuständigen Veterinärämtern gemeldet.
„Es ist erschreckend zu sehen, dass sich an den Haltungsbedingungen in den letzten Jahren kaum etwas verändert hat. Die Tiere müssen weiterhin in den dunklen, verkoteten Ställen stehen – ohne die Möglichkeit, sich zu bewegen. Die zuständigen Behörden hätten hier längst aktiv werden müssen“, so Lisa Bechtloff, Fachreferentin bei PETA. „Die Anbindehaltung – egal ob ganzjährig oder zeitweise – verursacht nachweislich lang anhaltende Schmerzen, Leiden und Schäden. Somit ist sie tierschutzwidrig und illegal. Wir fordern die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf, die tierschutzwidrige Anbindehaltung als Tierquälerei zu bestrafen. Darüber hinaus appellieren wir an die Bundesregierung, die Anbindehaltung im Zuge der Tierschutzgesetz-Novelle klarstellend in allen Formen zu verbieten; nur so kann endgültig erreicht werden, dass das Leiden der angeketteten Rinder umgehend beendet und dem Staatsziel Tierschutz Rechnung getragen wird.“
Hintergrundinformationen
Der überwiegende Anteil aller 1,1 Millionen Rinder in Deutschland in Anbindehaltung wird im sogenannten Kurzstand gehalten. Mit einer Länge von 1,40 bis 1,80 Metern wird der Standplatz den mittlerweile zuchtbedingt deutlich massigeren Tieren nicht gerecht. Als Konsequenz müssen die Tiere mit dem hinteren Körperteil auf dem Kotgitter liegen oder mit den Hinterbeinen im Güllekanal stehen. Vor allem für sogenannte Milchkühe ist das aufgrund ihres Euters oft eine schmerzhafte Erfahrung. Erkrankte Klauen und Gelenkprobleme können außerdem zu Lahmheit und vermeidbaren Schmerzen führen.
Anbindehaltung erfüllt den Straftatbestand der quälerischen Tiermisshandlung
Die Anbindehaltung von Rindern erfüllt den Tatbestand der quälerischen Tiermisshandlung nach § 17 Nr. 2 lit. b) Tierschutzgesetz, da die Tiere hierdurch in nahezu allen ihren natürlichen Verhaltensweisen und Grundbedürfnissen stark eingeschränkt werden. Dies wird auch „erzwungenes Nichtverhalten“ genannt. Der aktuelle Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zum Tierschutzgesetz enthält einen Passus, wonach ein Tier grundsätzlich „nicht angebunden gehalten werden [darf]“. Dies widerspricht jedoch nicht der Tatsache, dass die Anbindehaltung bereits jetzt den Tatbestand der quälerischen Tiermisshandlung nach § 17 Nr. 2 lit. b) Tierschutzgesetz erfüllt. [1] Die dauernde Fixierung beeinträchtigt das Wohlbefinden der Rinder derart, dass erhebliche Leiden verursacht werden. Dass die dauernde Anbindehaltung in der Regel den Straftatbestand erfüllt, wird neben zahlreichen juristischen Aufsätzen auch in den Standardkommentaren zum Tierschutzgesetz von Hirt/Maisack/Moritz/Felde sowie im BeckOK StGB und v. Heintschel-Heinegg/Kudlich thematisiert. [2]
Die Rinder sind in diesem Betrieb im Landkreis Esslingen an kurzen Ketten im sogenannten Kurzstand fixiert. Mit den Hinterbeinen stehen sie auf der Kante oder ganz im Güllekanal – links 2023, rechts 2024. / © PETA Deutschland e.V.
Links 2022, rechts 2024: In diesem Betrieb im Landkreis Esslingen sind die Rinder an kurzen Ketten fixiert. Sie können nicht alle gleichzeitig liegen. Das Einstreu ist feucht und eingekotet. / © PETA Deutschland e.V.
Die Bilder aus 2022/2023 und die aktuellen Aufnahmen stehen zum Download zur Verfügung und können für die Berichterstattung verwendet werden.
PETA Deutschland begeht im Jahr 2024 ihr 30-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass fordert die Organisation, dass Tiere vor dem Gesetz als Personen, das heißt als Träger von schutzwürdigen Interessen, anerkannt werden und Grundrechte erhalten. PETAs Motto lautet: Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein – eine Form von Diskriminierung, bei der Tiere aufgrund ihrer Artzugehörigkeit abgewertet werden.