Für Molkerei Ehrmann festgebunden, gequält und ausgebeutet? PETA-Aufnahmen zeigen tierschutzwidrige Anbindehaltung von Rindern im Allgäu

Eine Kuh, die am Hals mit einer Kette angebunden ist hat stark geschwollene Gelenke

Joghurthersteller verweigert konkrete Angaben zu möglichen Vertragspartnern

Lebensverachtend und tierschutzwidrig: Ende Oktober wurde PETA Videomaterial aus vier Allgäuer Milchbetrieben zugespielt. Diese standen zum Zeitpunkt der Aufnahmen offenbar mit der Molkerei Ehrmann in Verbindung. Die Bilder zeigen an kurzen Ketten, Metallbügeln und Halsbändern festgebundene Rinder, die für ihre Milch ausgebeutet werden. Auf harten und kaum eingestreuten Betonböden fristen sie ihr Dasein am selben Platz, an dem sie essen, schlafen, ruhen und ihre Notdurft verrichten. Nicht einmal umdrehen können sie sich dort. Wegen massiver Verstöße gegen das Tierschutzgesetz stellte PETA Strafanzeigen gegen die Verantwortlichen bei der Staatsanwaltschaft Memmingen.

„Die Anbindehaltung – egal ob ganzjährig oder zeitweise – verursacht nachweislich lang anhaltende Schmerzen, Leiden und Schäden. Somit ist sie tierschutzwidrig und illegal“, so Agrarwissenschaftlerin Scarlett Treml, Fachreferentin für Tiere in der Agrarindustrie bei PETA. „Wir fordern die Regierung dazu auf, die Anbindehaltung endlich in allen Formen zu verbieten, um Rechtssicherheit zu schaffen. Nur so kann das Staatsziel Tierschutz tatsächlich erreicht werden.“

Zum Zeitpunkt der Aufnahmen waren an den Eingängen der Höfe Schilder mit dem Aufdruck „Ehrmann“ angebracht. PETA vermutet deshalb, dass die Betriebe Milch an den Joghurthersteller liefern. Das Videomaterial zeigt auch eine Kuh mit einer ballgroßen Schwellung am Bein. Sie ist nicht von der Gruppe getrennt. Das deutet darauf hin, dass sie entgegen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nicht unverzüglich behandelt wurde. Nach eigenen Angaben bezieht Ehrmann derzeit nicht aus allen vier Betrieben Milch. Zu Vertragspartnern und -beziehungen wollte das Unternehmen PETA gegenüber keine Angaben machen. In der aktuellen öffentlichen Debatte um die sogenannte Anbindehaltung kritisieren auch Fachleute immer wieder den qualvollen Umgang mit Rindern. Im Zuge der derzeitigen Überarbeitung des Tierschutzgesetzes appelliert PETA erneut an die Bundesregierung, diese besonders qualvolle Haltungsform endgültig abzuschaffen.

„Es wird Zeit, dass Rinder nicht länger als Objekte angesehen werden, die man wie Fahrräder in dunklen Räumen festkettet, sondern als fühlende Individuen“ sagt Treml. „Betroffene Landwirtinnen und Landwirte dürfen dabei nicht im Stich gelassen werden. Sie müssen durch Förderpakete und umfangreiche Beratungsangebote zum Umstieg auf zukunftsorientierte, rein pflanzliche Landwirtschaftsformen bewegt und bei der Umsetzung begleitet werden.“

Hintergrundinformationen

Rechtslage bestätigt: Anbindehaltung von Rindern ist tierschutzwidrig

Bereits im November hatte PETA Strafanzeigen gegen zehn Rinderhaltungsbetriebe in Bayern und Baden-Württemberg erstattet. Grundlage sind aktuelle Fachpublikationen, die PETAs Auffassung teilen, dass die Anbindehaltung gegen das Tierschutzgesetz verstößt und sanktioniert werden muss. [1] Die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari [2] stellt fest, dass das natürliche Verhalten der Rinder in dauerhafter Anbindehaltung fast vollständig unterdrückt werde. Daher liege der Anfangsverdacht der Straftatverwirklichung nach Paragraf 17 Nr. 2 lit. b) des Tierschutzgesetzes vor. Zuletzt bezeichnete der Strafrechtsprofessor Dr. Jens Bülte in seinem Artikel „Anbindehaltung – keine rechtliche Grauzone, sondern illegale Routine“ die Anbindehaltung als „strafbare Tierquälerei“. Die dauernde Anbindehaltung sei „nicht nur (tierschutz)rechtlich unzulässig, sondern regelmäßig strafbar“. [3]. Die Einstellungen einiger Strafanzeigen von PETA wegen Anbindehaltung wurden teils damit begründet, dass die Rinder nicht ganzjährig festgebunden gehalten wurden, sondern saisonal oder in Kombinationshaltung. Dem entgegnet die Tierschutzorganisation, dass angebundene Rinder bereits nach wenigen Tagen – und somit in allen Formen der Anbindehaltung – erheblich leiden. Überdies verfügen Tiere nicht über ein Zeitempfinden wie Menschen. Es ihnen nicht möglich, lange Zeiträume wie über eine Jahreszeit hinweg zu überblicken [4]. PETA weist darauf hin, dass alle landwirtschaftlichen Haltungsformen von Rindern unweigerlich mit Zwang, Ausbeutung, Unfreiheit und einem frühen Tod einhergehen.

PETAs Motto lautet in Teilen:

Tiere sind nicht dazu da, dass wir sie essen oder sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein – eine Form von Diskriminierung, bei der Tiere aufgrund ihrer Artzugehörigkeit abgewertet werden.

Eine Kuh, die am Hals mit einer Kette angebunden ist hat stark geschwollene Gelenke
Angebunden an kurzen Ketten fristen viele Rinder ihr Dasein im Allgäu. / © PETA Deutschland e.V.
Mehrere Kühe stehen und liegen eng beieinander uns sind mit Ketten um dem Hals fixiert
Aneinander gedrängt stehen die Tiere in kotverdreckten Ställen. Umdrehen können sie sich nicht. / © PETA Deutschland e.V

Diese und weitere Fotos stehen hier zum Download zur Verfügung. Für die Verwendung gelten PETAs Allgemeine Nutzungsbedingungen. Sendefähiges Videomaterial schicken wir Ihnen auf Anfrage zu.

Quellen

[1] Staatsanwaltschaft Landshut, Aktenzeichen 208 Js 2110/23; die Einstellung bestätigend: Generalstaatsanwaltschaft München, Aktenzeichen 300 Zs 1023/23.
[2] Hahn/ Kari, NuR 2021, 43, 599: Leiden Nutztiere unter ihren Haltungsbedingungen? – Zur Ermittlung von Leiden in Tierschutzstrafverfahren. Online abrufbar unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s10357-021-3890-7. (17.11.2023).
[3] Bülte (2023): Anbindehaltung – Keine rechtliche Grauzone, sondern illegale Routine. Online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/anbindehaltung-keine-rechtliche-grauzone-sondern-illegale-routine/ (17.112023).
[4] Greenpeace (2023): Tierschutzrechtliche Defizite in der Milchkuhhaltung. Online abrufbar unter: https://www.greenpeace.de/publikationen/Rechtsgutachten%20Milchkuhhaltung.pdf. (17.11.2023).

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