Gemeinsame Erklärung von PETA, Menschen für Tierrechte, der DJGT und Ärzte gegen Tierversuche gegen geplante Reform der Tierschutz-Versuchsverordnung: „Tierschutz muss auch für überzählige Tiere gelten!“

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Vierfaches Protestbekunden: In einer gestern veröffentlichten gemeinsamen Erklärung positionieren sich vier Tierschutzorganisationen gegen den Plan der Bundesregierung, die Tötung von überzähligen „Versuchstieren“ in der Tierschutz-Versuchsverordnung (TierSchVersV) zu legitimieren. Die daraus folgende „Überschusstötung“ von Millionen von Tieren verstößt nach Ansicht von PETA, dem Bundesverband Menschen für Tierrechte, Ärzte gegen Tierversuche (ÄgT) sowie der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht (DJGT) gegen deutsches und europäisches Tierschutzrecht sowie gegen das Staatsziel Tierschutz. Die vier Tierschutzorganisationen schlagen stattdessen einen strengen und präzisen Kriterienkatalog für den Umgang mit solchen Tieren vor.

Geplante Kaskadenregelung rückschrittlich

Im Rahmen der aktuellen Reform des Tierschutzgesetzes fordern Forschende aus dem Versuchstierbereich, die Tötung sogenannter Überschusstiere zu vereinfachen. Dabei handelt es sich um Tiere, die zu wissenschaftlichen Zwecken gezüchtet, jedoch nie in Versuchen eingesetzt werden. Offiziell soll damit Rechtssicherheit für Personen geschaffen werden, die Tierversuche durchführen.

Die Bundesregierung kam der Forderung nach und legte kürzlich eine Änderung in der Tierschutz-Versuchsverordnung vor, die den Begriff des „vernünftigen Grundes“ mit der sogenannten Kaskadenregelung verknüpft. Nach der vorgeschlagenen Regelung liegt der „vernünftige Grund“ zur Tötung der „Überschusstiere“ vor, wenn diese trotz sorgfältiger Zuchtplanung sowie Zweitnutzungsprüfung keiner alternativen Verwendung zugeführt werden können und die Kapazitäten zur artgerechten Haltung und Pflege der Tiere erschöpft sind. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung der Tierschutzorganisationen jedoch nicht streng und nicht konkret genug und schließen die Vermittlung (Rehoming) oder die dauerhafte Unterbringung überzähliger Versuchstiere im Sinne der EU-Tierversuchsrichtlinie aus. Vor allem aber wird unterschlagen, dass das oberste Ziel bei der Planung eines jeden Versuchs immer sein muss, dass diese Tiere gar nicht erst geboren werden.

Wirtschaftliche Gründe oder Kapazitätsmangel kein vernünftiger Grund

Nach Auffassung der Tierschutzorganisationen widerspricht diese Regelung der im Tierschutzgesetz angelegten Regelung und Auslegung des Begriffs „vernünftiger Grund“. Der Grundsatz, dass niemand ein Tier ohne vernünftigen Grund töten darf – und dass wirtschaftliche Gründe nicht „vernünftig“ im Sinne dieses Rechtsbegriffs sind – kann nicht durch eine Regelung in einer Verordnung ausgehebelt werden. Aus der Staatszielbestimmung, die Tiere zu schützen, ergibt sich ein Auftrag an den Gesetzgeber, die Rechtslage für die Tiere stetig zu verbessern – diese Verbesserung ist in dem der Forschung durch die Kaskadenlösung ausgestellten Freibrief nicht ansatzweise angelegt.

„Dieser Vorschlag darf auf keinen Fall Eingang in die Tierschutz-Versuchstierverordnung finden. Tierschutz muss auch für überzählige Tiere gelten. Wieder werden sonst tierliche Interessen zum Spielball zwischen Lobby und Politik gemacht – und zwar an der klaren Vorgabe des Grundgesetzes vorbei“, so Dr. Vera Christopeit, Justiziarin bei PETA Deutschland. „Mit der Taktik, tierfeindliche Regelungen in nachgeschalteten Verordnungen zu vergraben, muss endlich Schluss sein. Das Tierschutzgesetz und Artikel 20a des Grundgesetzes gelten für alle Tiere – auch für solche, die ‚ungewollt‘ entstehen und despektierlich als ‚Überschusstiere‘ bezeichnet werden.“

Tierschutz fordert Kriterienkatalog

Die Tierschutzorganisationen schlagen in ihrer gemeinsamen Erklärung einen Kriterienkatalog zum Umgang mit den „Überschusstieren“ vor. Allem voran muss die Nutzung von tierfreien Verfahren weiter priorisiert werden, nicht nur um Versuche mit lebenden Tieren zu ersetzen, sondern auch um die Tötung von Tieren zur Gewebs- und Zellentnahme zu verhindern. Außerdem dürfen gentechnisch veränderte Versuchstierlinien nicht auf Vorrat gehalten werden. Institute müssen außerdem nachweisen, dass sie sich ernsthaft bemüht haben, den Tieren nach Ende der Versuche ein Weiterleben zu ermöglichen. Als Züchter oder Auftraggeber tragen sie die Verantwortung für diese Tiere und müssen nach dem Verursacherprinzip für die Kosten aufkommen.

1,77 Millionen Tiere als Überschuss getötet

Im Jahr 2022 wurden laut offizieller Statistik in Deutschland etwa 1,77 Millionen Tiere getötet, weil sie „überschüssig“ waren. Dies übertrifft die Zahl der Tiere, die tatsächlich in Tierversuchen eingesetzt wurden (1,73 Millionen). [1] Tatsächlich ist davon auszugehen, dass diese Zahl noch weitaus höher liegt. [2] Als Gründe dafür werden etwa ein falsches Geschlecht oder ein falscher Phänotyp angebracht.

Die Gemeinsame Erklärung der Tierschutzverbände kann hier als PDF heruntergeladen werden.

PETA Deutschland begeht im Jahr 2024 ihr 30-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass fordert die Organisation, dass Tiere vor dem Gesetz als Personen, das heißt als Träger von schutzwürdigen Interessen, anerkannt werden und Grundrechte erhalten. PETAs Motto lautet: Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein – eine Form von Diskriminierung, bei der Tiere aufgrund ihrer Artzugehörigkeit abgewertet werden.

Quellen

[1] Verwendung von Versuchstieren im Jahr 2022 (BfR)
[2] Zusammen mit den 712.000 Tieren, die getötet wurden, um Zellen und Gewebe für wissenschaftliche Zwecke zu entnehmen, starben im Jahr 2022 mindestens 4.207.231 Tiere im Zusammenhang mit Tierversuchen. Mehr zur Erhebung der Zahl der Überschusstiere unter: www.aerzte-gegen-tierversuche.de

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