Rinder mit eingewachsenen Ketten am Hals: Anbindehaltung verstößt gegen Tierschutzgesetz – PETA erstattet Strafanzeige gegen Betrieb in Erkelenz

Eine Gliederkette hat am Hals einer Kuh eine Wunde hinterlassen.

PETA hat am 23. Juli bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach Strafanzeige gegen einen Betrieb mit tierquälerischer Anbindehaltung in Erkelenz erstattet. Zudem hat die Organisation umgehend das zuständige Veterinäramt über die Missstände informiert. Ende Juni erreichte PETA eine Whistleblower-Meldung mit Bildern. Demnach wurden auf dem Grundstück Rinder mit bereits eingewachsenen Ketten am Hals entdeckt, wodurch bei den Tieren augenscheinlich tiefe Wunden entstanden waren. Das Veterinäramt reagierte zeitnah und teilte mit, „das Nötigste“ veranlasst zu haben, um den Tieren zu helfen. 2023 ging die Tierrechtsorganisation mit Anzeigen gegen Anbindehaltung in zahlreichen weiteren Betrieben in Bayern und Baden-Württemberg vor. Grundlage sind aktuelle Fachkommentare und juristische Aufsätze, die die Tierschutzwidrigkeit der Anbindehaltung bestätigen – unter anderem von der Bundestierschutzbeauftragten Ariane Kari. [1] Jahrelange Forderungen, diese besonders qualvolle Haltungsform zu sanktionieren, werden damit erneut bekräftigt. PETA kritisiert die bisherigen Verfahrenseinstellungen scharf, denn die Anbindehaltung ist nach geltendem Recht (Paragraf 17 Nr. 2 des Tierschutzgesetzes) strafbar. Die Tierrechtsorganisation fordert die Bundesregierung auf, mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes jede Form der Anbindehaltung ausdrücklich zu verbieten. 

„Wir rufen die Staatsanwaltschaft dazu auf, die Leiden der Rinder ernst zu nehmen und die quälerische Anbindehaltung zu sanktionieren“, so Lisa Bechtloff, Fachreferentin für Whistleblower-Fälle bei PETA. „Außerdem appellieren wir an die Bundesregierung, diese grausame Haltungsform endlich in allen Ausführungen zu verbieten, um Rechtssicherheit zu schaffen. Rinder dürfen nicht länger wie Objekte in meist dunklen Ställen festgekettet, sondern müssen wie fühlende Individuen mit Recht auf Bewegung, körperliche Unversehrtheit und Freiheit behandelt werden. Die Politik muss zudem attraktive Beratungs- und Förderpakete anbieten, um landwirtschaftliche Betriebe beim Umstieg auf eine tierfreundliche, vegane Landwirtschaft zu unterstützen.“

Rinder in Anbindehaltung: Nicht zumutbares körperliches und psychisches Leid

Der überwiegende Anteil aller 1,1 Millionen Rinder in Anbindehaltung wird im sogenannten Kurzstand gehalten. Mit einer Länge von 1,40 bis 1,80 Metern wird der Standplatz den Tieren nicht gerecht, die mittlerweile zuchtbedingt deutlich massiger sind. Als Konsequenz müssen sie oftmals mit dem hinteren Körperteil auf dem Kotgitter stehen und liegen. Dadurch erhöht sich das Risiko für Klauenerkrankungen und Euterentzündungen. Zudem ist das Liegen auf dem Kotgitter aufgrund des unnatürlich großen Euters für Kühe äußerst schmerzhaft. Die Tiere essen, ruhen, stehen, liegen, koten und urinieren an einem Platz im Stall und können sich dabei nicht einmal umdrehen. Arteigene Verhaltensweisen wie Bewegung, Körperpflege und soziale Interaktion mit Artgenossen werden den Rindern in der Anbindehaltung gänzlich verwehrt. Das psychische Leid der Tiere zeigt sich beispielsweise durch Stereotypien wie „Futterwerfen“ oder Zungenrollen, was zu starker Abmagerung führen kann. [4] Auch bei der sogenannten Kombinationshaltung werden die Rinder über den Winter bis zu neun Monate lang angekettet, was erhebliche und länger andauernde Leiden verursacht.

Anbindehaltung erfüllt den Straftatbestand der quälerischen Tiermisshandlung

Die Anbindehaltung von Rindern erfüllt den Tatbestand der quälerischen Tiermisshandlung nach § 17 Nr. 2 lit. b) Tierschutzgesetz, da die Tiere hierdurch in nahezu all ihren natürlichen Verhaltensweisen und Grundbedürfnissen stark eingeschränkt werden. Dies wird auch „erzwungenes Nichtverhalten“ genannt. Der aktuelle Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zum Tierschutzgesetz enthält einen Passus, wonach ein Tier grundsätzlich „nicht angebunden gehalten werden [darf]“. Dies widerspricht jedoch nicht der Tatsache, dass die Anbindehaltung bereits jetzt den Tatbestand der quälerischen Tiermisshandlung nach § 17 Nr. 2 lit. b) TierSchG erfüllt. [2] Die dauernde Fixierung beeinträchtigt das Wohlbefinden der Rinder derart, dass erhebliche Leiden verursacht werden. Dass die dauernde Anbindehaltung in der Regel den Straftatbestand erfüllt, wird neben zahlreichen juristischen Aufsätzen auch in den Standardkommentaren zum Tierschutzgesetz von Hirt/Maisack/Moritz/Felde sowie im BeckOK StGB und v. Heintschel-Heinegg/Kudlich thematisiert. [3]

Eine Gliederkette hat am Hals einer Kuh eine Wunde hinterlassen.
Bei einem der Tiere war durch die eingewachsene Kette am Hals eine schmerzhafte Wunde entstanden. / © PETA Deutschland e.V.

PETA Deutschland begeht im Jahr 2024 ihr 30-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass fordert die Organisation, dass Tiere vor dem Gesetz als Personen, das heißt als Träger von schutzwürdigen Interessen, anerkannt werden und Grundrechte erhalten. PETAs Motto lautet: Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein – eine Form von Diskriminierung, bei der Tiere aufgrund ihrer Artzugehörigkeit abgewertet werden.

Quellen

[1] Hahn, J., Kari, A. (2021): Leiden Nutztiere unter ihren Haltungsbedingungen? – Zur Ermittlung von Leiden in Tierschutzstrafverfahren, NuR 2021, 599-607, https://link.springer.com/article/10.1007/s10357-021-3890-7
[2] Schrott, Die Nutztierhaltung und das Strafrecht, LMuR 2024, 147
[3] Hirt, in: Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz 4. Auflage 2023 § 17 Rn. 100b; Schrott, BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg/Kudlich, 61.Edition, Stand: 01.05.2024, TierSchG § 17, Rn. 149, 121.1.
[4] Expertise for Animals (2023): Die Ketten lösen: Eine umfassende Untersuchung der Anbindehaltung von Rindern. Online abrufbar unter: http://www.tfvl.de/wp-content/uploads/2023/08/Expertise-for-Animals-2023.-Die-Ketten-loesen.pdf. (04.03.2024)

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