Corona-Infektionen bei Mitarbeitern anscheinend billigend in Kauf genommen
Stuttgart, 27. Mai 2020 – In den vergangenen Wochen sorgte die hohe Anzahl an Corona-infizierten Mitarbeitern in Schlachtbetrieben für Schlagzeilen. Medien berichten schon seit Jahren von katastrophalen Zuständen bei Unterkünften und Arbeitsverhältnissen der Mitarbeiter – diese gravierenden Verstöße gegen arbeitsschutzrechtliche Vorschriften sieht PETA als Hauptgrund dafür, dass Fleischfabriken zu „Corona-Hotspots“ wurden. Denn in der Fleischindustrie werden jährlich Milliarden Tiere oft unter unhygienischen Bedingungen getötet und Arbeiter oft schweren Erkrankungen ausgesetzt. Daher erstattete die Tierrechtsorganisation nun wegen des Verdachts der vorsätzlichen gefährlichen Körperverletzung Strafanzeige gegen die Standortleiter, Geschäftsführer, geschäftsführenden Vorstände und alle verantwortlichen leitenden Angestellten der Westfleisch-Schlachthöfe in Coesfeld und Dissen, des VION-Schlachthofes in Bad Bramstedt, des Müller-Fleisch-Schlachthofes in Birkenfeld sowie des Wiesenhof-Schlachthofes in Straubing-Bogen.
„Die katastrophalen Zustände der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter sind seit Jahren bekannt, daher handelt es sich hier keinesfalls um Nichtwissen vonseiten der Betriebe“, so Krishna Singh, Justiziar bei PETA. „Schlachthofbetreiber haben sich daran gewöhnt, Tiere zu quälen und zu töten. Der Verlust von Empathie und das Machtgefühl gegenüber anderen Lebewesen können dazu führen, dass auch die Schwelle zur physischen und psychischen Gewalt an Menschen überschritten wird. Das System der tierausbeutenden Industrie funktioniert nur, weil auch Menschen ausgebeutet werden.“
Tatbestand auch ohne COVID-19-Erkrankung erfüllt
PETA geht davon aus, dass die Missstände den angezeigten Geschäftsführern und Standortbetreibern der Schlachthöfe bekannt waren. Somit wirft die Organisation den Verantwortlichen vor, durch die Inkaufnahme dieser Umstände an mehreren Hundert Corona-Infektionen schuld zu sein. In ihrer Anzeige weist PETA auch darauf hin, dass bereits die Infektion mit SARS-CoV-2 wegen der potenziellen Gefährlichkeit der Krankheit COVID 19 eine Gesundheitsschädigung im Sinne des Tatbestandes der gefährlichen Körperverletzung ist – unabhängig davon, ob Infizierte tatsächlich erkranken. Der Betrieb in den angezeigten Unternehmen lief trotz steigender Infektionszahlen und unzureichender Hygienebedingungen weiter. Daher kritisiert die Tierrechtsorganisation scharf, dass die Betreiber für die Gewinnmaximierung wissentlich weitere Infektionen und etwaige daraus resultierende Gesundheitsschädigungen riskiert haben.
Zudem kommt es auch durch die extreme Belastung der Mitarbeiter regelmäßig zu Tierschutzverstößen in Schlachthöfen: So sind laut Bundesregierung je nach Betäubungsart 3,3 bis 12,5 Prozent der Schweine und 4 bis über 9 Prozent der Rinder nicht ausreichend betäubt, wenn sie an einem Bein kopfüber aufgehängt werden und ihnen die Kehle durchtrennt wird. [1] In absoluten Zahlen bedeutet dies jährlich weit über 300.000 Rinder und bis zu 7,5 Millionen Schweine – die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich weitaus höher.
Eklatante Verstöße in Schlachtbetrieben keine Seltenheit – Hintergrundinformationen
Bereits im Herbst 2019 hatten unangekündigte Kontrollen in allen großen Schlachthöfen in Nordrhein-Westfalen ergeben, dass Betriebe anhaltend eklatant gegen arbeitsschutzrechtliche Vorschriften verstoßen. [2] In mehr als 100 Fällen wurden die Zustände in den Unterkünften als „erschreckend“ bezeichnet und technische Mängel mit erheblichem Gefährdungspotenzial festgestellt; eine arbeitsmedizinische Vorsorge fehlte. Mitarbeiter arbeiteten bis zu 16 Stunden täglich und kamen aus Angst vor Arbeitsplatzverlust krank zur Arbeit. Die Betriebsstätten, in denen Arbeiter dicht beieinander und – wie das Amt für Arbeitsschutz in einem Kontrollbericht für das Verwaltungsgericht Münster feststellte [3] – ohne Vorsichtsmaßnahmen arbeiten, fallen in den Verantwortungsbereich der Angezeigten, auch wenn teilweise Subunternehmer zwischengeschaltet sind.
PETAs Motto lautet in Teilen: Tiere sind nicht dazu da, dass wir sie essen oder sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein – eine Weltanschauung, die den Menschen als allen anderen Lebewesen überlegen einstuft.
[1] Deutscher Bundestag (2012): Tierschutz bei der Tötung von Schlachttieren. Drucksache 17/10021. In: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bärbel Höhn, Friedrich Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN (Drucksache 17/9824). Online abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/100/1710021.pdf. (27.05.2020).
[2] Abschlussbericht der Überwachungsaktion „Faire Arbeit in der Fleischindustrie“ des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Dezember 2019.
[3] OVG Münster, Beschluss vom 9.5.2020, Aktenzeichen 5 L 400/20.
Weitere Informationen:
PETA.de/Corona
PETA.de/Kontrollbericht-Schlachthof
Pressekontakt:
Thomas Lesniak, +49 711 860591-527, [email protected]