Wiederaufnahme der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen Schimpansenhaltung im Zoo Magdeburg – PETA und Great Ape Project veröffentlichen erschreckendes Bildmaterial und fordern Ende der Gefangenschaft

Ein Schimpanse im Zoo

Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hat die Ermittlungen zur Schimpansenhaltung im Zoo Magdeburg wieder aufgenommen. Das 2021 von einer PETA-Anzeige angestoßene Strafverfahren war im Februar mit der Begründung eingestellt worden, dass den Schimpansen über zwei Jahre lediglich das „größere“ von zwei Außengehegen nicht zur Verfügung gestanden habe. Nachdem Medien im Frühjahr 2023 berichteten, dass sich die eingesperrten Schimpansen beim sogenannten „Over-Grooming“ die Haare ausreißen, hatte PETA im Juli gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens bei der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg Beschwerde eingelegt. Zudem belegen neue Aufnahmen der Tierrechtsorganisation Great Ape Project, dass die Tiere Symptome schwerer psychischer Belastungsstörungen aufweisen. Einige der Schimpansen haben auffällig kahle Stellen auf dem Kopf, der Brust und im hinteren Schulterbereich, manche sind mittlerweile fast vollständig nackt. Zudem essen einige Tiere ihre eigenen Exkremente. Inzwischen hat auch das Great Ape Project bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg Strafanzeige erstattet. PETA und das Great Ape Project appellieren an Politik und Zoo, die Gefangenhaltung von Menschenaffen im Magdeburger Zoo gänzlich auslaufen zu lassen.

„Entgegen allen Beteuerungsversuchen des Zoos muss der massive Haarverlust der Magdeburger Schimpansen als Ergebnis des jahrelangen Eingesperrtseins auf engstem Raum gewertet werden: Der fensterlose Innenbunker erlaubt noch nicht einmal einen Blick nach draußen“, so Dr. Colin Goldner, Leiter der deutschen Sektion des international tätigen Great Ape Project. „Auch der Verzehr der eigenen Exkremente, den einige der Tiere zeigen, ist als deutlicher Hinweis auf eine psychische Belastungsstörung zu sehen. Die Behauptungen des Zoos müssen als vorsätzliche Irreführung des Publikums gewertet werden.“

Die Zooverantwortlichen vermitteln dem Zoopublikum mit Infotafeln, dass Stress und Langeweile keine Auslöser für das sogenannte „Over-Grooming“ seien, da die Schimpansen dieses Verhalten auch in ruhigen Momenten zeigen würden. PETAs Fachreferentin für Tiere in der Unterhaltungsbranche, Dr. Yvonne Würz, kommentiert:  

„Zu behaupten, es ginge den Schimpansen gut, weil sie die Verhaltensstörung auch in Ruhe zeigen, ist genauso absurd, wie einer Person vorzuwerfen, sie könne nicht depressiv sein, weil sie gerade gelacht habe. Wir hoffen, dass mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen nun Konsequenzen für die Zooverantwortlichen folgen und den Tieren endlich geholfen wird.“

Artgerechte Haltung von Menschenaffen in Gefangenschaft unmöglich

Die Bedürfnisse von Menschenaffen sind sehr komplex. Schimpansen sind die nächsten Verwandten des Menschen und für sie ist es psychisch extrem belastend, zu einem „Leben“ in Gefangenschaft gezwungen zu sein. In Zoos entwickeln sie oft deutliche Verhaltensstörungen – auch in akkreditierten und vergleichsweise großen Einrichtungen, wie wissenschaftliche Studien belegen. [1-2] Diese äußern sich etwa durch Selbstverstümmelung, zwanghaftes Hin- und Herschaukeln des Oberkörpers sowie den Verzehr der eigenen Exkremente. Zum Teil verabreichen Zoos den Tieren Psychopharmaka, damit sie die Gefangenschaft überhaupt ertragen und ihr Leid Außenstehenden weniger auffällt.

Bei Schimpansen ist die Körperpflege („Grooming“) ein natürliches Verhalten, das für die Verfestigung sozialer Beziehungen innerhalb der Gruppe wichtig ist. „Over-Grooming“ dagegen bezieht sich auf exzessives Pflegeverhalten und gilt in der wissenschaftlichen Literatur bei Primaten als abnormales Verhalten, [3] das mit einem schlechten Wohlbefinden, Anspannung und Angst in Verbindung gebracht wird. [4]

Laut einer von PETA in Auftrag gegebenen INSA-Meinungsumfrage befürworten 41 Prozent der Befragten ein Ende der Zucht und Haltung von Menschenaffen in deutschen Zoos. Im Rahmen der Kampagne „Menschenaffen raus aus Zoos“ fordert PETA, das Gefangenendasein der Tiere zu beenden.

PETAs Motto lautet in Teilen:

Tiere sind nicht dazu da, dass sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein – eine Form von Diskriminierung, bei der Tiere aufgrund ihrer Artzugehörigkeit abgewertet werden.

Ein Schimpanse im Zoo
Mehrere Schimpansen im Zoo Magdeburg leiden durch das „Over-Grooming“ unter großflächigem Fellverlust. / © Colin Goldner, Great Ape Project

Dieses und weitere Motive können hier heruntergeladen und für die Berichterstattung verwendet werden.

Quellen

[1] Birkett, L.P./Newton-Fisher, N.E. (2011): How Abnormal Is the Behaviour of Captive, Zoo-Living Chimpanzees? PLoS ONE 6(6): e20101. doi:10.1371/journal.pone.0020101.

[2] Jacobson, S.L. et al. (2016): Characterizing abnormal behavior in a large population of zoo-housed chimpanzees: prevalence and potential influencing factors. PeerJ 4: e2225. Online abrufbar unter: https://doi.org/10.7717/peerj.2225. (26.07.2023)

[3] Kummrow M. Diagnostic and Therapeutic Guidelines to Abnormal Behavior in Captive Nonhuman Primates. Vet Clin North Am Exot Anim Pract. 2021 Jan;24(1):253-266. doi: 10.1016/j.cvex.2020.09.012. PMID: 33189254.

[4] nidirect. (o.D.) Welfare of primates: normal behaviour patterns. Online abrufbar unter: https://www.nidirect.gov.uk/articles/welfare-primates-normal-behaviour-patterns. (26.07.2023)

Kontakt

Kontakt
Kopieren