Gießen: Hunderte Mäuse in Forschungsgebäude der Uni Gießen qualvoll an Hitzetod gestorben– PETA erstattet Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Gießen und fordert das Ende aller Tierversuche

Zwei Mäuse drängen sich in einem durchsichtigen Behälter aneinander

Gießen / Stuttgart, 14. März 2024 – Qualvoll durch Hitze getötet: Einem Medienbericht zufolge hat ein technischer Defekt an einer Heizungsanlage an der Justus-Liebig-Universität (JLU) zum Tod von rund 600 Mäusen geführt. Die Tiere seien für die medizinische Forschung vorgesehen gewesen und wurden im Physiologie-Gebäude der Universität gehalten, wie die JLU am Mittwoch mitteilte. Durch die Fehlfunktion hätten sich die Räume dort über Nacht auf knapp 40 Grad Celsius aufgeheizt. Als Tierpflegerinnen früh morgens den Dienst antraten, waren bereits 600 der 1000 Nager gestorben. Die Justus-Liebig-Universität experimentiert an unzähligen Tieren in den Bereichen Tiermedizin, Biologie, Agrar- und Lebenswissenschaften. Am heutigen Donnerstag hat PETA auf Grundlage  der vorhandenen Informationen Strafanzeige gegen die Universität Gießen bei der Staatsanwaltschaft Gießen erstattet. Möglicherweise wurde der Hitzetod hunderter Nager billigend in Kauf genommen, falls etwa an der Wartung der Heizung gespart wurde – so die Auffassung der Tierschutzorganisation, die sich für die Rechte aller Tiere einsetzt. PETA appelliert dringlich an alle wissenschaftlichen Einrichtungen, Tierversuche jeglicher Art zu beenden und bittet die Staatsanwaltschaft Gießen um die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, um für eine umfassende Aufklärung der Umstände des Falls zu sorgen.

„Der qualvolle Tod dieser Mäuse ist leider nur die Spitze des Eisbergs. Zwei Millionen Mäuse werden jedes Jahr allein in Deutschland völlig legal ‚im Namen der Wissenschaft‘ für Experimente missbraucht und getötet“,  so Sabrina Engel, Biotechnologin und Fachreferentin Bereich Tierversuche bei PETA. „Der Fall muss ganz klar lückenlos aufgeklärt werden. Doch eine reparierte Heizungsanlage reicht nicht aus, um das Tierleid in den Laboren zu beenden: Langfristig müssen Forschungseinrichtungen ihre Arbeit grundlegend modernisieren und auf tierversuchsfreie Methoden umsteigen. Die Tiere waren zudem vermutlich sogar Temperaturen von weit über 40 Grad ausgesetzt: In den EU-Leitlinien wird für die Unterbringung von Mäusen darauf hingewiesen, dass die Temperaturen bei in Gruppen untergebrachten Nagetieren in ihren Käfigen bis zu 6 Grad höher sein können. Empfohlen wird in diesen Richtlinien eine Temperatur von lediglich 20 bis 24 Grad.“ [1]

Tierversuche sind qualvolle Experimente, die meist nicht auf den Menschen übertragbar sind

Die Gene von Menschen, Mäusen und vielen anderen Säugetieren stimmen zwar in großen Teilen überein. [2] Doch ganz gleich, wie ähnlich der Organismus von Mäusen und anderen Tieren dem des Menschen auch ist: Menschen und Tiere unterscheiden sich in Details der Anatomie, Physiologie und im Stoffwechsel in entscheidenden Bereichen. Selbst Tiere verschiedener Arten können unterschiedlich auf Chemikalien und Arzneimittel reagieren.

Laut der amerikanischen Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH) kommen 95 Prozent der Medikamente, die in Tierversuchen als sicher und wirksam eingestuft wurden, niemals auf den Markt. [3] Die mangelnde Übertragbarkeit der Ergebnisse vom Tier auf den Menschen ist dabei ein wichtiger Faktor. [4]  Dadurch werden bei der Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten wertvolle Zeit und Geld verschwendet. Um die biomedizinische Forschung zu verbessern – also die Erforschung von menschlichen Krankheiten und die Entwicklung von Medikamenten beschleunigen – und Tierleid in Laboren zu stoppen, müssen Tierversuche beendet werden. PETAs Research Modernisation Deal zeigt eine Strategie auf, um die Wissenschaft in Richtung hochtechnologischer, für den Menschen relevanter Methoden voranzubringen – mit erreichbaren Zielen und umsetzbaren Zeitplänen zum Wohle von Mensch und Tier. Die Strategie liegt bereits zahlreichen Vertretern aus Politik und Wissenschaft vor.

Tierfreie Methoden noch zu wenig genutzt

Eine ethisch vertretbare Forschung und fortschrittliche Testverfahren gehen Hand in Hand. Zu solchen Methoden gehören unter anderem Gewebezüchtungen mit menschlichen Stammzellen, Organoide oder Bioprinting [5]. Diese und andere tierfreie Forschungs- und Testverfahren können wissenschaftlichen Fortschritt und damit die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden und Medikamente ermöglichen. Sie sollten daher verstärkt gefördert werden, damit sie weiterentwickelt und flächendeckend etabliert können – denn momentan fließt ein Großteil der Fördergelder in Tierversuche, statt in tierfreie Ansätze.

Dieses und weitere Fotos können hier heruntergeladen werden.

PETA Deutschland begeht im Jahr 2024 ihr 30-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass fordert die Organisation, dass Tiere vor dem Gesetz als Personen, das heißt als Träger von schutzwürdigen Interessen, anerkannt werden und bestimmte Grundrechte erhalten. PETAs Motto lautet: Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein – eine Form von Diskriminierung, bei der Tiere aufgrund ihrer Artzugehörigkeit abgewertet werden.

Quellen

[1] EU-Kommission. EMPFEHLUNG DER KOMMISSION vom 18. Juni 2007 mit Leitlinien für die Unterbringung und Pflege von Tieren, die für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendet werden. 18.06.2007: A. ARTSPEZIFISCHE LEITLINIEN FÜR NAGETIERE, 2.2 Temperatur. Zugriff am 14.03.2024. https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:197:0001:0089:DE:PDF (eingesehen am 14.03.2024)

[2] National Human Genome Research Institute: Why Mouse Matters, https://www.genome.gov/10001345/importance-of-mouse-genome (eingesehen am 14.03.2024)

[3] National Center for Advancing Translational Sciences (NCATS). About NCATS. https://ncats.nih.gov/about (eingesehen am 14.03.2024)

[4] Seyhan AA. Lost in translation: the valley of death across preclinical and clinical divide–identification of problems and overcoming obstacles. Translational Medicine Communications. 2019 Dec;4(1):1-9. https://link.springer.com/article/10.1186/s41231-019-0050-7

[5] Mobini, S., Song, Y. H., McCrary, M. W., & Schmidt, C. E. (2019). Advances in ex vivo models and lab-on-a-chip devices for neural tissue engineering. Biomaterials, 198, 146-166, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0142961218303478 (eingesehen am 14.03.2024)

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